05. Mai 2021

Wie bilde ich mir eine Meinung in einer überinformierten Gesellschaft?

 

Vortrag von Prof. Dr. phil. Petra Grimm im Rahmen des Studium Generale und der Vortragsreihe „Verantwortung für die Gesellschaft: Medien. Macht. Wirklichkeit.“ der Reutlinger Hochschulen.

Informationsoverload: Wie kann man sich kompetent informieren und sich eine fundierte Meinung bilden? Und welche Auswirkungen kann eine Falschinformation haben? Diesen und weiteren Fragen widmete sich Prof. Dr. phil. Petra Grimm in ihrem Vortrag: „Wie bilde ich mir eine Meinung? Zur Informations- und Meinungsbildungskompetenz in Zeiten der ‚Infodemie‘“ im Studium Generale der Reutlinger Hochschulen am 5. Mai 2021. Petra Grimm, Professorin für Medienforschung und Kommunikationswissenschaft an der Hochschule der Medien in Stuttgart, beleuchtete dabei das Thema insbesondere aus einer ethischen Perspektive.

In den letzten 20 Jahren hat sich die Nachrichteninformationswelt stark verändert. So fragt Grimm anfangs: „Hätte denn in der Zeit vor Social-Media ein Politiker wie Donald Trump jederzeit unbegrenzt und massenhaft Unwahrheiten absetzen können und damit auch noch Gehör bei seinem Publikum gefunden?“ Sie selbst beantwortet die Frage mit: „wohl eher nicht“. Seit der Entstehung der Sozialen Medien, Internet-Plattformen und Suchmaschinen, gibt es deutlich mehr verfügbare Informationen als zuvor. Häufig werden diese Plattformen als Hauptnachrichtenquelle verwendet. Die Vielzahl an Informationskanälen kann jedoch dazu führen, dass die Nutzer*innen unbeabsichtigt mit Halbwahrheiten, Verschwörungen, Falschinformationen oder sogar Lügen in Berührung kommen. Sind wir also desinformiert in einer überinformierten Gesellschaft?

Grimm ging diesen Fragen unter anderem in einer Untersuchung zum Digitalen Wandel und dessen Bedeutung für Bürger*innen nach. Es zeigte sich, dass sich bei den Rezipient*innen eine zunehmende Verunsicherung über den Wahrheitsgehalt von Informationen einstellt. Diesem Problem sehen sich auch viele Jugendliche gegenübergestellt. So zeigt die aktuelle Pisa-Studie, dass Schüler*innen in Deutschland im Bereich der praktischen Quellenkompetenz weniger gut abschneiden. Sie haben häufig Schwierigkeiten dabei, Informationen von Meinungen zu unterscheiden. Grimm fordert daher für die Bildungspläne einen deutlicheren Schwerpunkt auf die Förderung der Informations- und Meinungsbildungskompetenzen der Schüler*innen.

Als mögliche Folge dieser entstandenen Unsicherheit und Konfrontation mit Falschinformationen nennt Grimm unter anderem eine negative und misstrauische Haltung gegenüber dem Mediensystem. Wenn die Erwartungen, Einstellungen und Werte der Bürger*innen nicht mit den von Journalist*innen oder Institutionen veröffentlichten Informationen übereinstimmen, entsteht Misstrauen, welches wiederum die Glaubwürdigkeit dieser Quellen beeinflusst. Nennen nun nicht-journalistische Quellen Falschinformationen, verstärkt dies das bereits bestehende Misstrauen. Häufig wird daher den falschen Informationen mehr geglaubt. Diese Falschinformationen haben jedoch nicht nur Auswirkungen auf unsere Entscheidungen und Handlungen im Bereich der Politik, z.B. bei Wahlkämpfen. Fehlinformation kann sich negativ bis hinein in die persönliche Gesundheit auswirken, wenn es beispielsweise um das Thema Impfen geht.

Die Referentin warnt davor, dass sich der Grad an Desinformation in der Zukunft durch weitere Technologien verschärfen könnte. Sie fordert daher zur Suche der Wahrheit auf, indem die Geschichten und Erfahrungen aller betroffenen Personen Gehör finden.
Da die Sozialen Netzwerke in ihrer jetzigen Struktur ungeeignet dafür sind, einen angstfreien Vertrauensraum für einen Dialog zu schaffen, fordert Grimm eine Art „Alternatives Facebook“. Eine Plattform, in der Vertrauen möglich ist und die so die Verständigung und ein gemeinsames Denken unterstützt. Grimm sieht dabei die Aufgabe der Politik darin, die entsprechenden Regulierungen für den Einsatz dieser Plattformen zu veranlassen.
Wie können wir schließlich alle dazu beitragen, dass keine Falschinformationen weitergetragen werden? Grimm erwähnt zum Abschluss ihres Vortrags die drei Siebe des Sokrates. Durch jedes der drei folgenden Siebe sollte jeder Satz passieren, bevor er überhaupt geäußert wird:

IST ES WAHR?
IST ES WOHLWOLLEND?
IST ES WESENTLICH?

Miriam Feger, Volontärin, Stabsstelle Marketing und Kommunikation, Hochschule Reutlingen

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