19. Mai 2021

STUDIUM GENERALE: Können wir noch alles sagen?

 

Vortrag von Prof. Dr. Bodo Herzog im Rahmen des Studium Generale und der Vortragsreihe „Verantwortung für die Gesellschaft: Medien. Macht. Wirklichkeit.“

Informationsepidemie: Können wir noch alles sagen? Wie steht es um die Meinungsfreiheit? Was versteht man unter Informationspopulismus und zu was kann dies führen? Diese Fragen und weitere beantwortete Prof. Dr. Bodo Herzog in seinem Vortrag „Informationspopulismus: Digitale Echokammern – Degenerierter Debattenraum?“ im Studium Generale am 19. Mai 2021. Bodo Herzog ist Professor für Makroökonomie an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen und beschäftigt sich u.a. mit dem Thema integrative Kommunikation.

Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes zum Thema Meinungsfreiheit dürfte den meisten bekannt sein. Theoretisch gibt es rechtlich gesehen kaum Einschränkungen bezüglich der Meinungsfreiheit. Schaut man sich jedoch Umfragen an, wie die von Allensbach aus dem Jahr 2019, zeigt sich, dass ein Großteil der Bevölkerung nicht das Gefühl hat, sich tatsächlich frei äußern zu können. Dabei handelt es sich allerdings um kein neues Phänomen.

In seinem Vortrag zeigt Bodo Herzog die geschichtliche Entwicklung des Populismus auf sowie die Unterscheidung zwischen linkem und rechtem Populismus. Er betont, dass Populismus bereits vor Christus ein Thema war. Der Begriff selbst kam jedoch zum ersten Mal Ende des 19. Jahrhunderts in den USA auf. Was ist jetzt aber heute neu an diesem Phänomen? Begonnen in den 1980er Jahren und durch die Digitalisierung und Echokammern vorangetrieben, führt dies laut Herrn Herzog zu einem Aufschaukeln und einem Diskurs, der sich nur noch in eine eindimensionale Richtung bewegt. Dadurch werden unter anderem Fake News und bestimmtes Wählerverhalten begünstigt.

Herzog sieht die Folge in einem verengten Debattenraum in der liberalen Demokratie. So finden sich inzwischen verstärkt nur noch Diskurse, aber keine Diskussionen mehr. Er vermisst ein Zusammenführen der Diskurse, das Eingehen auf die Argumente des Gegenübers und möglicherweise sogar die Annahme von anderen Überzeugungen. Also all das, was eine Diskussion ausmacht.

Was kann die Wissenschaft dazu beitragen, um dieses Problem zu lösen? Herr Herzog führt als Lösungsansatz die integrative Kommunikation an. Darunter versteht er eine breite Kommunikation über Verteilungsdimensionen und nicht nur von singulären Durchschnittswerten. Das heißt, wenn beispielsweise über Ungleichheit gesprochen wird, reicht es nicht zu erwähnen, was das Durchschnittseinkommen im Monat ist. Stattdessen muss sich die gesamte Verteilung über die Bevölkerung hinweg angeschaut werden.

In computerbasierten Simulationen untersuchte Herr Herzog den Einfluss von singulären und verteilungsspezifischen Informationen auf Gesellschaften und vor allem auf die Bevölkerungsgruppe der Populisten. Seine Ergebnisse zeigen, dass bei lediglich singulären Informationen der einseitige Diskurs zunimmt und der Anteil an Populisten in der Bevölkerung steigt. Werden stattdessen mehr Informationen gegeben, sinkt der Anteil an Populisten und Diskussionen sind eher möglich.

Die Digitalisierung hat auf der einen Seiten die Informationsverbreitung beschleunigt. Auf der anderen Seite haben die Echokammern jedoch dazu geführt, dass es zu einer Informationsreduktion kommt. Um aus diesem Paradox ausbrechen zu können, empfiehlt Herr Herzog, die Kommunikation über Informationen wieder auf eine breitere Basis zu stellen, d.h. alle Dimensionen eines Themas zu betrachten, um alle wieder miteinzubeziehen. Es müssen der Bevölkerung Informationen und Argumente an die Hand gegeben werden, durch welche sie in einem Diskurs mit anderen ins Gespräch kommen können. Dies ist laut Herrn Herzog durch die integrative Kommunikation möglich. Er appelliert zudem auch an die Medien, klar zwischen Meinungsjournalismus und dem Berichten über Fakten und Tatsachen zu trennen.

Miriam Feger, Volontärin, Stabsstelle Marketing und Kommunikation, Hochschule Reutlingen

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