Prof. Dr. Frank Brettschneider / Pressefoto Universtität Hohenheim
Prof. Dr. Frank Brettschneider

20. Oktober 2021

STUDIUM GENERALE: Wahlkampf 2021: Plakat, Präsenz und Social Media

Wahlstatistik: Von wegen langweilig!

Am Mittwoch Abend, 20.10., hat die erste Veranstaltung des Studium Generale 2021/22 in der Aula der Theologische Hochschule Reutlingen stattgefunden. Zu dieser Ringvorlesung laden die Reutlinger Hochschulen ein (Hochschule Reutlingen, Theologische Hochschule Reutlingen, Campus Reutlingen, Evangelische Hochschule Ludwigsburg – Campus Reutlingen, Evangelische und Katholische Hochschulgemeinde Reutlingen), sie dreht sich in diesem Semester um die Thematik »Medien, Macht, Wirklichkeit«.

Als erster Gast konnte der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Frank Brettschneider (Universität Hohenheim) gewonnen werden, der einem großen Publikum auch außerhalb des akademischen Betriebs durch zahlreiche Auftritte in den gorßen Medien bekannt ist. Er hat über eines seiner Kerngebiete referiert: Wahlstatistik und Wahlanalyse.

Was auf den ersten Blick ermüdend und tendenziell langweilig-trocken erscheint, war in Wirklichkeit faszinierend, unterhaltsam und äußerst spannend. Prof. Brettschneider führte in einer ersten Runde durch die bunte Welt der Wahlstatistik, die ihre Daten über einen längeren Zeitraum vor, während und nach den Wahlen sammelt. Er ließ den Wahlkampf seit dem Frühling revue passieren und zeigte, wie sich die Maskenaffäre, die Plagiatsaffäre und die Flut-Lachen-Affäre bei den entsprechenden Kandidaten statistisch niedergeschlagen hat. Zahlen kommen zum Leben, wenn sie mit der konkreten Geschichte verbunden werden. Das Fazit von Brettschneider: Scholz, nach Stimmen der Wahlsieger, schnitt weder besonders gut ab, noch führte er einen markanten Wahlkampf. Er profitierte wenn nicht einzig, so doch vor allem davon, dass seine Konkurrenz von einem Fettnäpfchen ins nächste stolperten, während er unbescholten durch den Sommer kam. Sein Ergebnis ist nicht gut, aber viel besser als erwartet, und vor allem viel besser als das der anderen.

In einer zweiten Runde versuchte der Referent, die Daten zu interpretieren, und hier wurde deutlich, dass es keine Globalinterpretation gibt, sondern Altersgruppen, Parteipräferenzen und Medienkonsum interagieren und zu differenzierten Resultaten führen. So sprechen etwa Wahlplakate vor allem Stammwähler an (in der Regel im Alter von 60+), die aber mehrheitlich schon früh per Briefwahl abstimmen. Plakate mit den Köpfen der Lokalkandidaten in den Dörfern sind – so Brettschneider – sinn- und nutzlos, »herausgeworfenes Geld«, während die Social-Media-Auftritte nur die untere Hälfte der Altersskala anspricht, und auch hier gilt es zu differenzieren: Instagram für 18-30-Jährige, Facebook für 40+. Oder pointiert ausgrdrückt: Wer jung und cool ist, benutzt nicht Facebook.

Weitere, willkürlich zusammengestellte Details: AfD-Wähler:innen nutzen die Medienvielfalt am wenigsten und lesen oder liken vor allem das, was andere AfD-Wähler:innen auch lesen/liken. Grüne Wähler:innen sind sowohl mit der Lebensqualität wie auch mit der wirtschaftlichen Situation Deutschlands am zufriedensten, und dies mit 88% resp. 72%. Armin Laschet konnte auch in der eigenen Partei nicht überzeugen und hat noch nicht einmal das Potenzial der eigenen Wähler:innen ausgeschöpft.  Und schließlich hat die Union gegenüber der Wahl 2017 Hundertausende von Stimmen verloren, weil die Wähler:innen mittlerweile verstorben sind und nicht durch jüngere ersetzt werden konnten.

Statistik ist faszinierend, Prof. Frank Brettschneider ein eloquenter Referent und scharfsinniger Analytiker, und bei der nächsten Wahl wird alles wieder anders. Oder auch nicht. Ein hochinteressanter Abend.

Der nächste Teil der Ringvorlesung findet am 17.11. um 18:15 an der Theologischen Hochschule statt (Livestream möglich). Es referiert Frau Prof. Dr. Katrin Schlör, Dozentin für Kulturarbeit, ästhetische und kulturelle Arbeit, zum Thema »Teilhabe in, an und durch Medien – digitalisierte Medienwelten gestalten.«

Dr. Christoph Schluep

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